Medienecho |
Saarbrücker
Zeitung vom 20.6.2005:
Gäste erleben Umweltschutz
in Praxis
Franz Alt ruft auf zur
ökologischen Wende
Vereine und
Organisationen in der Hüttenstadt stellen ihre Arbeit bei einem Umweltmarkt
am Neuen Rathaus vor
Bekannter
Buchautor und Fernsehmoderator spricht zum Auftakt der Völklinger Umwelttage
Im Rahmen der Völklinger Umwelttage stellten Vereine und Organisationen am
Wochenende auf dem Hindenburgplatz ihre Arbeit vor. Von Jägern über
Bienenzüchter, von der Naturschutzjugend bis hin zu den Stadtwerken reichte
die Palette der Informationen. Eröffnet worden waren die Umwelttage von
Umwelt-Mahner Franz Alt.
Völklingen. Von Lohnnebenkosten und Sozialversicherung wissen Burenziegen
nichts. Sie arbeiten umsonst für die Stadt Völklingen und knabbern im
Lauterbachtal den Riesenbärenklau, auch Herkulesstaude genannt, weg. Die aus
Asien stammende Pflanze breitet sich bei uns aggressiv aus. Sie zerstört bei
Berührung den UV-Schutz unserer Haut, führt zu Verbrennungen und kann sogar
blind machen. Neben den robusten Burenziegen setzt der
Landschafts-Pflegeverein Karlsbrunn auf den Warndthöhen Heidschnucken und an
feuchten Stellen im Tal Rhönschafe gegen die drohende Verbuschung und den
Wildwuchs in der offenen Landschaft ein. Die Rhönschafe hatten am Samstag
ihren freien Tag. Die ehrenamtlichen Helfer des genannten Vereines brachten
sie nach Völklingen, wo sie sich, mit sichtlichem Wohlbehagen in ihren
pechschwarzen Gesichtern, im Schatten des Neuen Rathauses am Heu latzten.
Publikum gab es genug. Der parallel stattfindende Wochenmarkt sorgte schon
von sich aus für Zuspruch. Etliche Vereine, Organisationen und Unternehmen
nutzten den Tag, sich und ihre Arbeit bekannt zu machen. Die
Naturschutzbehörde des Stadtverbandes Saarbrücken informierte beispielsweise
über Artenschutz, Hornissen-Umsiedlungen oder Fledermaus-Nachtwanderungen.
Der Völklinger Bienenzuchtverein warb mit seinen 40 Mitgliedern, darunter 20
aktive Imker, für das schöne Hobby rund um den Honig. Die Vereinigung der
Jäger des Saarlandes wusste viel über das Thema Jagd und Naturschutz zu
sagen. Was staunte der kleine Sven, als er beispielsweise erfuhr, dass Hasen
lebend, sehend und oberirdisch zur Welt kommen, während Kaninchen nackt,
blind und unterirdisch geboren werden. Richtig in die schöne fette
Wolle der Merinoschafe hinein fassen durften die Besucher beim Zelt des
Vereins "Maltiz - Natur- und Waldpädagogik". Hier drehte sich beinahe alles
um das Thema Wolle, sofern nicht drollig-treue Tiere wie der Hütehund
Pierrot oder der Esel Zottel vom Thema ablenkten.
Die Naturschutzjugend aus Ludweiler informierte über ihre Arbeit. Die
Naturfreunde und der Saarwaldverein Völklingen unterbreiteten den Besuchern
ihr umfangreiches Wander- und Unterhaltungsangebot. Der städtische Forst
verkaufte Brennholz in Tüten, Nistkästen zum Aufhängen sowie Holzfäller-Öfen
für kühle Grillnächte im Freien. Die Stadt Völklingen stellte ihre Abfall-
und Wertstoff-Beratung einschließlich der dazu passenden Fahrzeuge wie
Kehrmaschinen und Hausmüllwagen vor.
Die Stadtwerke zeigten die Möglichkeiten von Erdgas auf, und zwar im
Vorgriff auf eine Erdgas-Tankstelle, die wahrscheinlich im Lauf des Jahres
in der Hüttenstadt eröffnet werden wird. Zudem erfuhren die Besucher
allerhand über den nahen Urwald vor den Toren der Stadt, über Grüne
Hausnummern, leckere Wildgerichte, den Ökogarten der Volkshochschule
Völklingen sowie über die Möglichkeit, Lamm- oder Rindfleisch direkt beim
Erzeuger zu kaufen. Besucher Harald Siegel zog folgendes Resümee: "Sehr
informativ. Ich habe vorher gar nicht gewusst, dass es bei uns in Völklingen
so viele Menschen gibt, die sich aktiv dem Naturschutz widmen." Völklingen.
"Die beiden großen politischen Kräfte in Deutschland hängen an den alten
Energien wie Junkies an der Nadel, die SPD an der Kohle und die CDU am Atom.
Beides ist mehr als fatal." Das sagte beim Auftakt der Völklinger Umwelttage
am Wochenende der bekannte Journalist und Buchautor Franz Alt.
Dessen Bestandsaufnahme zur aktuellen Situation der Energie-Politik fällt
herb aus. Die Wasser-Kreisläufe in Afrika verändern sich dramatisch. Bereits
heute dürsten dort 15 Millionen Menschen. In Australien gibt es Gegenden, in
denen wegen des Ozonloches jedes zweite Kind an Hautkrebs erkrankt ist. In
den letzten 30 Jahren hat sich der Versicherungsschaden durch weltweite
Katastrophen in etwa verachtfacht.
Auch hier zu Lande machen sich Umweltschäden bemerkbar. Alt erinnerte an
extreme Stürme und Hochwasser beziehungsweise an den Hitzesommer 2003, in
dem zum Beispiel in Frankreich mindestens 18 Menschen an den Folgen des
Klimas starben. Das Schreckens-Szenario geht weiter. "Wir verwüsten unseren
schönen Planeten", sagte Alt und sprach in diesem Zusammenhang von
Selbstmord-, Urwald- und Voodoo-Ökonomie. Die Menschheit, insbesondere der
Westen, plündert die begrenzten Ressourcen. Sie liefert sich dabei, so Alt,
"den Schurken dieser Welt" aus, um weiter an Erdöl und -gas zu kommen.
Veraltete Atom-Stromanlagen könnten jederzeit zum Ziel von Terroristen
werden oder verunglücken. Alt: "Restrisiko heißt doch: Das kann uns jeden
Tag den Rest geben."
Es gibt jedoch Alternativen zur energiepolitischen Bankrott-Erklärung. Alt:
"Bereits 2050 könnten wir 40 Prozent unseres Energie-Bedarfs mit
Sonnenenergie, 30 Prozent mit Biomasse, zehn Prozent mit Wasser, 15 Prozent
mit Windkraft und nur noch fünf Prozent mit Erdöl decken." Dazu seien
intelligente Ansätze zur Energie-Einsparung (Wärmedämmung, Ein-Liter-Auto),
zur Wirkungsgrad-Verbesserung und zur Solar-Architektur gefragt.
Der unumgängliche Energie-Umbau ("sonst verschwinden wir wie die Dinosaurier
von der Bildfläche") könne ohne Wohlstands-Verlust vonstatten gehen, glaubt
der Journalist. Bereits heute existierten Solarhäuser, deren Besitzer von
den Stromkonzernen am Monatsende einen Scheck statt einer Rechnung
erhielten. "Sie speisen Strom in das Netz ein. Machen wir doch in
Deutschland aus jedem Gebäude ein Mini-Kraftwerk", fordert Alt.
Fazit: "Entweder wir ändern uns oder das Klima wird sich noch schneller
ändern." Und: "Umweltschutz und Klimaschutz sind keine Arbeitsplatzkiller,
sondern Arbeitsplatzknüller." Mit diesen Worten zitierte Alt den früheren
Bundesumweltminister Klaus Töpfer, der von fünf Millionen neuen
Arbeitsplätzen für den ökologischen Umbau alleine in Deutschland ausgeht. et
Die Völklinger Umwelttage schließen am heutigen Montag um 17 Uhr mit einer
Informationsveranstaltung im Rahmen des Umweltpaktes Saar im Neuen Rathaus.
Das Thema lautet: "Freiwillig mehr Engagement". Der Eintritt ist frei.
Zur Person
Franz Alt (Foto: sz), geboren 1938, studierte Politik, Geschichte,
Philosophie und Theologie. 20 Jahre moderierte er das Politmagazin "Report".
Seit 1992 leitet er die Sendereihe "Zeitsprung" im SWF und seit 1997 das
Magazin "Querdenker" in 3 SAT. Mit Publikationen wie "Frieden ist möglich"
(1983), "Liebe ist möglich" (1985), "Jesus - der erste neue Mann" (1989),
"Die Sonne schickt uns keine Rechnung" (1995) und "Der ökologische Jesus"
(1999) hat sich der Fernsehmoderator auch als Buchautor einen Namen gemacht.
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